Marketing Funnel – automatisierte Kundengewinnung im Web
Ihre Website ist nur eine „digitale Visitenkarte“? Wie wäre es, wenn Ihre Website stattdessen automatisiert Kunden gewinnen könnte? Genau dieses Versprechen geben Sales Funnel bzw. Marketing Funnel. Was zu einem guten Funnel gehört und worauf Sie bei der Erstellung achten müssen, erklären wir hier.
2019 scheint bisher das Jahr der selbsternannten Internet-Marketing-Gurus zu sein. An jeder Ecke (bzw. in jedem Social Network) versprechen mehr oder minder erfahrene Experten, dass sie Unternehmen und Selbstständigen zeigen, wie man automatisiert Kunden im Web gewinnt. Whitepaper, Webinare und Onlinekurse sind die Waffen der „Funnel Hacker“.
Hat man bei einem dieser Funnel Experten die eigene E-Mail-Adresse angegeben, beginnt der Verkaufsprozess. Es läuft alles darauf hinaus, Ihnen zu verkaufen, wie Sie einen Funnel für Ihr Unternehmen aufzusetzen (wahlweise wird dieser auch mit einem deutschen Kunstbegriff als „3-Phasen-Verkaufsprozess“ o.Ä. bezeichnet).
Klingt ja auch verlockend: Dank Automatisierung braucht sich bald niemand mehr um Kundengewinnung kümmern. Denn die Leads kommen von ganz alleine über die eigene Website. Passives Einkommen leicht gemacht!
Interessant nur, dass die meisten dieser Funnels sich mit der Erstellung von Funnels beschäftigen. Dabei wären die Grundprinzipien eines Marketing Funnels für viele Branchen anwendbar.
Letztlich steckt dahinter nämlich eine Idee, die im traditionellen Marketing (bewusst oder unbewusst) schon längst angewendet wird. Wir erklären, was ein Funnel ist und wie Sie diese für Ihr Unternehmen nutzen können.
Warum jedes Unternehmen schon einen Sales Funnel hat
Die meisten Funnels beruhen auf dem AIDA-Prinzip, das bereits 1898 von dem amerikanischen Geschäftsmann E. St. Elmo Lewis entwickelt wurde. Anhand dieses Phasen-Modells wurde damals der idealtypische Verlauf eines Verkaufsgesprächs festgemacht. Später wurde diese allererste Darstellung eines Sales Funnels um verschiedene Post-Sales-Phasen ergänzt. Wir nutzen für unsere Erklärung das AIDA-AREA-Modell, das häufig in digitalen Sales Funnels Anwendung findet.
Wie sehen die einzelnen Phasen konkret aus?
Attention: Hier erregt das Unternehmen die Aufmerksamkeit des potentiellen Kunden. Das kann analog (z.B. Cold Call, zufälliges Treffen, Vorbeilaufen am Schaufenster), aber auch digital (z.B. Social Media, Displayanzeige, organische Suche) geschehen.
Interest: Jetzt gilt es den Kunden zum Verweilen zu bringen! Im Digitalen könnte das z.B. ein Video sein, das sich der Kunde ansehen sollte oder gut geschriebene Texte. Im Analogen wäre das z.B. ein besonderer Flyer oder ein auffälliges Schaufenster.
Desire: Hat man die Aufmerksamkeit, gilt es beim potentiellen Kunden ein Bedürfnis zu wecken. Das geschieht meist, indem man ihm klar macht, dass er mit dem angesprochenen Produkt einen Mangel ausgleichen kann. Bei einem Fitnessstudio wäre das z.B. das Bedürfnis des Klienten, fit zu werden.
Action: Nun heißt es den Kunden zum Kauf zu bewegen. Das geschieht durch geschickt platzierte Call to Actions, unwiderstehliche Angebote oder einen Anruf durch den Vertrieb.
Hat der Kunde gekauft, geht es in der AREA-Formel darum, ihn nicht nur zum erneuten Kauf oder dem Kauf verwandter Produkte zu bewegen (also Up-Selling, Down-Selling, Cross-Selling zu betreiben). Vielmehr geht es auch darum, ihn als Testimonial für das Unternehmen zu gewinnen und ihn dazu zu bringen, die Produkte an Freunde weiterzuempfehlen.
Insofern: Jedes Unternehmen hat bereits einen Sales Funnel! Nur ist manch ein Funnel nicht so bewusst gesteuert wie das bei einem Marketing Funnel der Fall ist.
Wie kann ein Marketing Funnel konkret aussehen?
Ein gut gemachter Marketing Funnel, z.B. auf der eigenen Website oder einer speziellen Landingpage, sollte den Kunden bewusst zum Kauf bringen.
Daher sollte man sich bei der Erstellung eines automatisierten Funnels erst einmal fragen:
Welches digitale Produkt will ich überhaupt verkaufen?
Für digitale Funnels geeignete Produkte und Zielgruppen
Verkaufen wie geschnitten Brot? Viele Funnels versprechen genau das.
Nicht jedes Produkt eignet sich gleichermaßen. Besonders beliebte Produkte, die sich digital verkaufen lassen sind unter anderem:
Onlinekurse / Präsenzkurse
E-Books / Bücher
Software-Abonnements
Sind Sie ein Bäcker und wollen einfach nur ihre Backwaren verkaufen? Dann ist ein Funnel vielleicht nicht das Richtige für Sie. Denn die verkauften Produkte müssen einen gewissen Wert mitbringen und sollten sich zur vollständigen Digitalisierung eignen. Stattdessen könnten Sie als Bäcker vielleicht einen Onlinekurs verkaufen, in dem Sie Menschen zeigen, wie man selbst Brot backt.
Der nächste Schritt ist eine Personas Analyse, in der die Zielkunden genau visualisiert werden. Am Ende sollte klar sein:
Wen will man erreichen?
Welche Bedürfnisse hat diese Personengruppe?
Auf welchen Kanälen sind sie am besten zu erreichen?
Welche Sprachebene und welche Bildwelten sprechen die Personen an?
Marketing Funnel aufsetzen
Eine Funnel-Landingpage baut auf den Phasen des AIDA-Modells auf, wobei ein Großteil des Verkaufs automatisiert erfolgen soll. Google nennt diese AIDA-Phasen „Micro-Moments“ – und genau diese sollten den Aufbau einer verkaufsorientierten Landingpage prägen.
Micro-Moments im Funnel – adaptiert von Google
„Ich will wissen“
Über ein interessenbezogenes Targeting oder die organische Suche kommen Nutzer erst noch vollkommen ohne Kaufinteresse auf die Funnel-Website. Sie wollen lediglich eine Frage beantwortet bekommen.
Der Einstieg sollte also möglichst breit und informativ verfasst sein.
Ein Video, eine interessante Grafik oder ein catchy Slogan verleiten zum längeren Verweilen und können Interesse wecken. Zeit für Phase 2!
„Ich will etwas tun“
Durch Fakten, Best Practices und mehr hat die Landingpage jetzt im potentiellen Kunden ein Bedürfnis geweckt (siehe oben – Phase D der AIDA-Formel). Noch vertraut der Nutzer dem Anbieter aber nicht genug, um direkt einen höherpreisigen Kauf abzuschließen (was ja das Ziel des Funnels ist).
Insofern denkt sich der typische Kunde vielleicht erst einmal: Das kann ich ja selber! Hier kommt ein niedrigschwelliges Angebot gerade recht: Typischerweise ist das ein eBook mit einer Anleitung oder tieferen Informationen zu einem Thema. Auch ein kostenloses Webinar, in dem mehr zum Thema erklärt wird, eignet sich gut. Dieser „Hook“ sorgt dafür, dass der Kunde Vertrauen fasst.
Alles, was er tun muss, um an dieses Angebot zu kommen: Die eigene E-Mailadresse hinterlassen. Dann gibt es freien Zugang zu Informationen.
„Ich will etwas kaufen“
Die 3. Phase läuft nun mithilfe eines entsprechenden Newslettering-Tools oder CRM-Systems automatisiert ab.
Denn der Kunde wird mit zu ihm passenden E-Mails versorgt, die für immer mehr Vertrauen zwischen Kunde und Anbieter sorgen.
Intelligente Lead-Scoring-Tools können vorhersagen, wie kaufbereit der Kunde ist und bieten dementsprechend entweder niedrigpreisige oder höherpreisige Angebote („Offers“) an.
Auch nach dem ersten Verkauf kann der Kunde durch E-Mails an neue Angebote herangeführt oder zu Empfehlungen gebracht werden (AREA-Abschnitt der AIDA-AREA-Formel).
Klingt jetzt alles sehr „verkaufsgetrieben“ und „aufdringlich“? Das kommt ganz auf die Ausgestaltung und das beworbene Angebot an!
Erfolgfaktoren für Ihren Online Sales Funnel
Bei der Aufstellung eines erfolgreichen Marketing Funnels gibt es einiges zu beachten. In erster Linie müssen Funnel Hacker den feinen Grad zwischen „zu wenig“ und „zu viel“ Vertrieb meistern. Wer also einen digitalen Sales Funnel aufstellen möchte, der muss vor allem auf folgende Punkte achten:
Fischen Sie nicht im Trüben, sondern kennen Sie Ihre Zielgruppe.
Zielgruppengerechte Inhalte erstellen: Die Inhalte müssen wirklichen Mehrwert für die Kunden bieten, denn sonst sind die meisten nach dem ersten Kauf bzw. dem Download des „Hooks“ abgesprungen. Das ist auch nicht im Interesse des Funnel Anbieters. Denn so müssen immer wieder neue Leads herangeschafft werden, z.B. über bezahlte Anzeigen.
Remarketing und E-Mail-Frequenz: 7 Touchpoints braucht ein Kunde im Schnitt, bis er einen Kauf tätigt. Das gilt auch für den Sales Funnel. Deshalb sollten genügend Follow-Up-Mails, Social Media Touchpoints und mehr eingeplant werden. All diese Kosten für die Akquistion müssen in die Kalkulation einbezogen werden, um am Ende genau zu wissen, wie hoch die Kosten pro Conversion sind.
Daten nutzen und optimieren: Beim ersten Versuch werden sicherlich viele Interessenten nicht zu Kunden werden. Daher gilt es, einen digitalen Sales Funnel immer weiter zu optimieren. Es sollte immer getrackt werden, an welcher Stelle der Landingpage der Interessent abspringt, nach welcher Mail im Schnitt am meisten gekauft wird, etc. Auch A/B-Tests von verschiedenen Bildmotiven, Wordings, Call to Actions, Videos etc. sorgen für Klarheit. Kurz: Ein Funnel ist niemals fertig, sondern sollte immer wieder verbessert und überholt werden.
Warum Marketing Funnels nicht ohne Arbeit funktionieren
Wer plant, mithilfe eines Funnels sein Einkommen zu automatisieren, dem sei gesagt: Ganz ohne Arbeit geht es nicht! Auch wenn intelligente Systeme viel Aufwand abnehmen können, so braucht es doch noch viel Einsatz bei bestimmten Aspekten. Darunter folgende:
Ausarbeitung der Produkte: Wenn der beworbene Onlinekurs oder das Whitepaper nicht entsprechend gute Inhalte bieten und immer wieder aktualisiert werden, wird der Funnel nicht lange erfolgreich sein und die Kunden werden nicht wieder kaufen. Daher ist die Produkterstellung ein nicht zu unterschätzender Zeitfaktor!
Kundenservice: Digitale Kunden wollen spüren, dass sie es mit Menschen zu tun haben und nicht mit Maschinen. Daher sollte jemand zeitnah auf Anfragen per Mail oder Livechat antworten.
Erweiterung des Angebots: Ein digitaler Sales Funnel endet sehr schnell, wenn es nur ein Produkt gibt. Denn haben die Kunden einmal z.B. einen Kurs durchlaufen, gibt es nichts mehr, was sie kaufen könnten. Um bestehende Kunden optimal an sich zu binden, heißt es stetig neue Angebote zu entwickeln!
Da ist etwas an der Angel – jetzt nicht loslassen!
Anziehen von neuen Kunden: Für die Gewinnung neuer Interessenten, die den Funnel durchlaufen und zu Kunden werden, braucht es entweder gute Anzeigen (z.B. in Social Media oder Google AdWords) oder guten Content, der in der organischen Suche performt. Also gilt es hier entweder Zeit oder Geld zu investieren!
Kurz gefasst: Ein Sales Funnel im Web kann die Kundengewinnung automatisieren. Dafür braucht es aber ebenso viel Einsatz und Herzblut wie für den analogen Verkauf.
Kundengewinnung „auf Autopilot“ funktioniert über einen Funnel nur dann, wenn Sie diesen stetig optimieren und vor allem hochwertige Produkte darüber vertreiben. Insofern ist der Vertrieb über einen Marketing Funnel immer noch harte Arbeit – nur eben mithilfe digitaler Tools und mit besserer Skalierbarkeit.
Bilder: eigene Darstellung, Faris Mohammed, Louise Lyshoj, Mathieu Le Roux, Zab Consulting via unsplash.com